Nach dem Beginn des Vorspanntextes (Darius Milhaud...) dreifacher Split Screen:
Ich spiele an „zwei“ Flügeln den Schluß der „Brazileira“ aus Milhauds „Scaramouche“.
Darunter tritt der ca. 36-jährige Milhaud aus einer Schiebetür ins Freie und kehrt dann nach einigen forschenden Blicken, u.a. gen Himmel, wieder ins Haus zurück. Diese kurze Sequenz ist
zweckentfremdetes Diebesgut aus dem Film „Vormittagsspuk“ („ghosts before breakfast“) des Dadaisten Hans Richter aus dem Jahre 1928 (in dem übrigens an anderer Stelle ganz kurz auch der junge
Hindemith agiert).
Qua Zeitlupe und Rückwärtslaufen lasse ich diese Sequenz so lange dauern und so wirken, als rätsele Milhaud, wer denn da über ihm seine Musik spielt und dabei das Kunststück vollbringt, sich an
zwei Flügeln gleichzeitig zu produzieren! Milhaud kommt der Sache nicht auf die Spur und trollt sich irritiert wieder ins Haus. Es folgt scheibchenweise der restliche Vorspanntext:
... Claude DEBUSSY
Igor STRAWINSKY
Paul HINDEMITH
Erwin SCHULHOFF
Arnold SCHOENBERG
u.v.a.
in:
Ragtime statt Wagner
Wagnis statt Ragtime
Neue Welt &
neue Welten in Europas Klaviermusik
von und mit
Uli Schauerte
Mit dem Schlußakkord der „Brazileira“ wird erneut Filmmaterial aus seinem ursprünglichen Kontext gerissen:
Igor Strawinsky fragt (auf deutsch) in die Kamera: Wird es lange dauern ?
Ich antworte etwas zaghaft: Ja – soll ich sagen, warum?
Darauf Strawinsky erwartungsvoll: Ja!
Die beiden Stellen, die ich später noch öfters verwende, stammen aus den Interviews, die Rolf Liebermann im Jahre 1965 über mehrere Tage hinweg mit dem 83-jährigen Meister führte.
Der ursprüngliche Kontext wird dann redlicherweise im Strawinsky-Kapitel (d.i. Kapitel II) erkennbar werden.
Hier beziehen sie sich auf die zu befürchtende Länge meines Films.
Während ich aus dem Off etwas dazu sage und rechts im Bild (im Look alten Schwarzweißmaterials) zunächst aus Strawinskys „Piano Rag Music“, danach aus Schönbergs Klavierstück op. 33a spiele,
schiebt sich von links ein Debussy-Photo ins Bild.
Dann sehen wir in einem verlangsamten stummen Video-Clip den jungen (!) Strawinsky dirigieren, danach ein ebenfalls vor dem Krieg gefilmtes Schnipselchen mit dem dirigierenden Hindemith. Es
folgen ein Photo von Erwin Schulhoff und Ausschnitte aus einem stummen Amateurvideo mit dem leibhaftigen Arnold „Schoenberg in private“, das 1938 (?) am Strand von Malibu von Serge Hovey gedreht
wurde.
Währenddessen also erkläre ich Strawinsky, warum der Film so lange dauern wird, sage:
„Na ja, es geht schon ziemlich gezielt um europäische Klaviermusik mit Jazzeinflüssen, aber man kann dabei viel über die klassische Moderne als ganze erfahren.
Es geht natürlich hauptsächlich um die antiromantische oder antiwagnerianische Richtung, denn aus der kamen ja damals all die Ragtimes und Cakewalks und Shimmys.
Aber es geht auch um Schönberg.
Obwohl – wenn ich mal pathetisch werden darf:
Der hat sich ja viel weiter vorgewagt. Man kann sagen, in neue Welten (Plural), und er konnte an der Musik der neuen Welt (Singular) gar nicht soviel Aufregendes finden.
Wohlgemerkt – an der Musik. Als Land hat Amerika vielen, um die’s hier geht, das Leben gerettet“.
Hier werde ich wieder von Strawinsky unterbrochen, wieder wird eine Stelle aus den Liebermann-Interviews mißbraucht:
Strawinsky sagt: „I have a immense respect for Schoenberg“...
Ich falle ihm ins Wort, sage: „Und ich erst !
Aber jetzt fangen wir mal ganz vorne an – bei Debussy“: